Mit falschem Impfpass in die Apotheke

Am 24.11.2021 sind neue Strafgesetze zum unrichtigen Gebrauch von Gesundheitszeugnissen in Kraft getreten. Das LG Kempten hatte im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit strafprozessualer Maßnahmen nach der alten Rechtslage zu beurteilen. In seinem Beschluss hat das Gericht zur Strafbarkeit nach § 279 StGB a.F. Stellung genommen und darin eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Für Strafverteidiger bzw. Rechtsanwälte / Fachanwälte für Strafrecht ist es sicherlich sinnvoll, die Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen.

Der Sachverhalt

Der Beschuldigte hatte am 16.11.2021 in einer Apotheke einen gefälschten Impfausweis vorgelegt, um ein COVID-Impfzertifikat zu erhalten.

Im Fortlauf der Ermittlungen ordnete das Amtsgericht Kempten die Durchsuchung der Person, der Wohnung, der Geschäftsräume und des Autos vom Beschuldigten an, sowie die Beschlagnahme des Impfausweises, von Impfzertifikaten und eines Mobiltelefons.

Gegen die Wohnungsdurchsuchung und die Beschlagnahme legte der Beschuldigte beim LG Kempten Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO ein. Er beantragte, die angeordneten Maßnahmen für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben.

Das LG Kempten hat in seinem Beschluss vom 28.2.2022 – Az. 2 Qs 27/22 die Anträge des Beschuldigten als unbegründet verworfen.

Strafbarkeit nach § 279 StGB a.F.

Nach Ansicht der Kammer hat sich der Beschuldigte auch nach der alten Rechtslage nach § 279 StGB strafbar gemacht.

Hintergrund: Zum 24.11.2021 trat das „Gesetz zur Änderung des IfSG und weiterer Gesetze […]“ in Kraft. Darin wurden insbesondere die §§ 277 bis 279 StGB neu gefasst. In § 279 StGB wurde der unrichtige Gebrauch von Gesundheitszeugnissen zur Täuschung im Rechtsverkehr unter Strafe gestellt. Zuvor wurde nur bestraft, wer „eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen […] Gesundheitszustand“ täuscht.

Das LG Kempten hat ausführlich zur angenommen Strafbarkeit nach § 279 StGB a.F. und dem darin enthaltenen Behördenbegriff Stellung genommen. Dass es sich bei Impfpässen um Gesundheitszeugnisse handelt entspricht zunächst der herrschenden Meinung. Bemerkenswert ist aber, dass das LG Kempten die „Täuschung einer Behörde“ bejahte. Zwar handele es sich bei einer Apotheke nicht um eine Behörde, dagegen schon bei dem Robert-Koch-Institut. Die Apotheke sei Vermittler für das Robert-Koch-Institut, das als Bundesbehörde durch das Vorlegen eines gefälschten Impfausweises in der Apotheke getäuscht worden sei. Unerheblich sei, dass die Täuschung nicht unmittelbar an einem Mitarbeiter des Robert-Koch-Institutes erfolgte, sondern lediglich eine Datenverarbeitung beeinflusst wurde. Die fälschliche Beeinflussung eines solchen Datenverarbeitungsprozesses sei nämlich nach § 270 StGB einer Täuschung im Rechtsverkehr gleichgestellt. Die Täuschung sei auch im Rechtsverkehr erfolgt, weil § 279 StGB auf die §§ 277, 278 StGB verweise, die eine Täuschung im Rechtsverkehr als Tatbestandsmerkmal beinhalten.

Weitere Strafbarkeiten oder das viel diskutierte Verhältnis des § 279 StGB a.F. zu § 267 StGB hatte das Gericht nach eigener Ansicht infolge der Bejahung des § 279 StGB a.F. nicht mehr zu prüfen.

Rechtmäßigkeit der strafprozessualen Maßnahmen

Aufgrund der angenommenen Strafbarkeit seien zur Auffindung von Beweismitteln sowohl die Durchsuchung als auch die Beschlagnahme erforderlich und angemessen gewesen. Ausdrücklich sei auch eine Beschlagnahme des Mobiltelefons angemessen, da auf diesem digitale Impfzertifikate gespeichert werden können. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sprach das LG Kempten dem allgemeinen Interesse am Infektionsschutz (abgeleitet aus dem Infektionsschutzgesetz) den Vorrang vor dem Besitzrecht des Beschuldigten an seinem Smartphone aus.

Strafverteidigung bei Vorlage falscher Impfausweise

Ähnlich gelagerte Fälle sind immer wieder Gegenstand der Strafverteidigung. Insbesondere als Fachanwalt für Strafrecht hat dieser Beschluss eine besondere Bedeutung, da im Gegensatz zu anderen Gerichtsentscheidungen das Tatbestandmerkmal der „Behörde“ als erfüllt angesehen worden ist. Bislang wurde eine Strafbarkeit nach § 279 StGB a.F. überwiegend abgelehnt. Für die Strafverteidigung in einem ähnlich gelagerten Fall ist die Kenntnis dieses Beschlusses sicherlich hilfreich.