Seit 2017 gelten Straßenrennen sowohl mit Autos als auch mit Motorrädern nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat und können somit härter bestraft werden. Ein Urteil des Amtsgerichts Obernburg vom 13. Juli 2021 (Az.: 2 Ls 225 Js 6707/20 jug) befasst sich mit einem vermeintlichen Straßenrennen und macht dabei konkrete Ausführungen zu den Voraussetzungen von illegalen Straßenrennen.
Im vorliegenden Fall fuhren die zwei angeklagten jungen Männer gemeinsam mit ihren Freunden auf einer Landstraße auf ihren Motorrädern und filmten das Ganze mit einer Helmkamera. Es kam dabei zu mehreren Wendemanövern. Die Höchstgeschwindigkeit sowie die Mittellinie der Fahrbahn wurde dabei zumindest von einem der Angeklagten mehrfach überschritten. Dies wurde zum Teil von Zeugen beobachtet.
Letztendlich geriet einer der Angeklagten auf die Gegenfahrbahn, wo er mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer, der ebenfalls zur Gruppe gehörte, kollidierte. Dieser erlitt dadurch ein schweres Polytrauma, in dessen Folge er verstarb. Gegen beide Angeklagten stand zunächst der Verdacht eines illegalen Straßenrennens im Raum, welches nach § 315d StGB strafbar ist. Das Gericht konnte nach der Beweisaufnahme allerdings keine Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d StGB feststellen.
Voraussetzungen für ein illegales Straßenrennen
Nach § 315d Abs. 1 StGB ist es strafbar, entweder ein nicht erlaubtes Fahrzeugrennen durchzuführen oder auszurichten (Nr. 1), als Kraftfahrzeugführer an einem solchen teilzunehmen (Nr. 2) oder sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortzubewegen, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
Vorliegend kam Nr. 2, die Teilnahme an einem illegalen Straßenrennen, in Betracht. Das Gericht stellte fest, dass Voraussetzung eines illegalen Rennens zunächst die Teilnahme von mindestens zwei Personen ist. Zudem muss die Handlung einen Wettbewerbscharakter aufweisen. Ausreichend sei hierbei eine konkludente Übereinkunft der Beteiligten. Eine ausdrückliche Absprache sei nicht erforderlich. Die Angeklagten hätten sich also zumindest konkludent zu einem Rennen verabreden müssen, um die Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen.
Entscheidend für den Wettbewerbscharakter sei zudem ein Vergleich untereinander. Dabei komme es nicht zwingend auf das Erreichen einer Höchstgeschwindigkeit an, auch Vergleiche der Beschleunigung der Fahrzeuge können ausreichend sein. Die Geschwindigkeit muss jedoch grundsätzlich mitbestimmend sein. Einer förmlichen Siegerermittlung bedarf es nicht.
Verteidigung des Angeklagten
Die Verteidigung stützte sich darauf, dass es sich zwar um eine abgesprochene Übungsfahrt gehandelt habe, jedoch kein Rennen stattgefunden habe. Der Fachanwalt für Strafrecht führte an, dass der Angeklagte zwar einräume, an einem tragischen Unfall schuld zu sein, jedoch dass die Beteiligten kein Rennen fahren wollten. Die Freunde hätten sich lediglich getroffen, um gemeinsam Motorrad zu fahren und dabei auch ihren Fahrstil zu analysieren. Letzteres sei der Grund für die Helmkamera gewesen.
Urteil des Gerichts
Nachdem die Teilnahme an einem illegalen Straßenrennen, nicht zuletzt aufgrund der Strafverteidigung der Angeklagten sowie der Zeugenaussagen, nicht nachgewiesen werden konnte, wurden die Angeklagten nicht nach § 315d StGB verurteilt.
Das Gericht konnte keine – auch keine konkludente – Absprache zu einem Rennen als gesichert annehmen. Plausibel sei auch eine Verabredung zum gemeinsamen Motorradfahren in Runden und das Hintereinaderherfahren zu Übungszwecken – wie auch von der Strafverteidigung vorgetragen. Insbesondere ein Messen oder Vergleichen konnte vorliegend nicht nachgewiesen werden. Eine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB scheide somit aus.
Auch nahm das Gericht keine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB an. Es sah es nicht als erwiesen an, dass durch die Angeklagten versucht wurde, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Zwar zeigten Tachoaufnahmen durch die Helmkamera sehr hohe Geschwindigkeiten und auch Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke an, dies sei jedoch nicht ausreichend.
Der nicht am Zusammenstoß beteiligte Angeklagte wurde daher frei gesprochen.
Der in den Zusammenstoß verwickelte Angeklagte, in dessen Folge der Führer des entgegenkommenden Motorrads verstarb, wurde wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten verurteilt. Deren Vollstreckung wurde jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Vor Ablauf von 10 Monaten darf keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.
Das Gericht legte dabei zugrunde, dass der Angeklagte seinen Fahrfehler, der zu dem tödlichen Zusammenstoß führte, bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können. Insbesondere hätte er erkennen müssen, dass er mit der gewählten Geschwindigkeit und seinem Fahrkönnen, im Rahmen der örtlichen Verhältnisse, die Kurven mit seinem Motorrad innerhalb seines Fahrstreifens nicht bewältigen kann. Dies folgert das Gericht unter anderem aus den Aufzeichnungen der Helmkamera, auf denen zu sehen ist, dass der Angeklagte bereits zuvor bei ähnlichen Geschwindigkeiten auf der Strecke mehrfach die Mittellinie überschritten hat.