BGH präzisiert seine Rechtsprechung zur Untreuestrafbarkeit von Ärzten

Für die Strafverteidigung interessierende Gründe hinsichtlich der Revision des Angeklagten im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof enthält der BGH Beschl. v. 11.05.2021 – 4 StR 350/20. Das Urteil hat die Überprüfung von Rechtsfehlern des Urteils des Landgerichts Bochum vom 3. März 2020 zum Gegenstand. Dabei wurde festgestellt, dass bei der betrügerischen Verordnung häuslicher Krankenpflege keine Untreue vorliegt. An einer Bestrafung des Angeklagten hielt der Bundesgerichtshof dennoch fest, indem es den Schuldspruch des Landgerichts Bochum in Beihilfe zum Betrug änderte.

In dem Prozess vor dem Landgericht Bochum ging es um einen Hausarzt, der Patienten eine häusliche Krankenpflege verordnet hatte, obwohl es an einer Erforderlichkeit dazu fehlte. Der Angeklagte habe diese Tatsache zum Zeitpunkt der Verschreibungen zumindest billigend in Kauf genommen, um seiner Ehefrau, die einen vormals gegründeten Pflegedienst betrieb, Aufträge zu verschaffen. Weil es an den dazu notwendigen und tatsächlichen Voraussetzungen fehlte, verurteilte das Landgericht den Hausarzt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung wegen Untreue.

Vom Bundesgerichtshof getroffene Abgrenzung zur Verschreibung von medizinisch nicht notwendigen Medikamenten ist maßgeblich

Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verschreibung von nicht notwendigen Medikamenten, in der zum Nachteil der Krankenkassen stets von Untreue ausgegangen wurde, denn den Vertragsarzt trifft in dieser Hinsicht eine Betreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB (BGH, 16.08.2016 – 4 StR 163/16). Im Vergleich zu der Verschreibung von Arzneimitteln habe der Hausarzt bei der Verordnung einer häuslichen Krankenpflege aber nicht die alleinige Entscheidungskompetenz über die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung. Während der Patient bei verschriebenen Medikamenten mit dem Rezept zum Apotheker geht und dieser dem Patienten den medikamentösen Wirkstoff aushändigen muss, prüft die Krankenkasse bei einer häuslichen Krankenpflege, ob eine solche notwendig ist. Sie ist die Institution, die über diese Form der Behandlung entscheidet, und nicht der Hausarzt.

Verschreibt dieser eine häusliche Krankenpflege, dient dies dem gestellten Antrag durch den Patienten. Der Zugriff auf das Vermögen der Krankenkasse besteht demnach nicht in unmittelbarer Weise, sodass sich darüber keine alleinige Entscheidungsbefugnis des Arztes aufbauen lässt.

Strafbarkeit wegen Beihilfe bleibt bestehen

Die Strafbarkeit des Angeklagten wurde vom Bundesgerichtshof in Beihilfe zu dem von der Ehefrau begangenen Betrug abgeändert. Zum Zeitpunkt der Verschreibungen habe der Angeklagte im Hinblick auf die finanziellen Interessen seiner Gattin zumindest billigend in Kauf genommen, dass die tatsächlichen Erfordernisse für eine verordneten häusliche Krankenpflege nicht gegeben waren. Zusammen mit der Vornahme der Verordnungen liegt mithin die Beihilfe zum Betrug vor, die zwar immer noch eine Strafe für den Angeklagten bedeutet – für die Strafverteidigung beziehungsweise den Fachanwalt für Strafrecht dürfte dies aber eine interessante Wendung im Fall gewesen sein.